Erfolgreiches Abschlusskolloquium
Erfolgreiches Abschlusskolloquium
Berufsakademie Leipzig stellt Forschungsprojekt vor
Im bestens besuchten Hörsaal der Staatlichen Studienakademie Leipzig begrüßte die Direktorin Prof. Dr. habil. Kerry Brauer viele interessierte Gäste, vor allem aus der Immobilienbranche. In ihrem Einführungsvortrag stellte sie das von ihr, Prof. Dr. Ralf Guckel und Konstantin Hoffie bearbeitete und mit Steuermitteln (auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes) mitfinanzierte dreijährige Projekt vor.
„Immobilienmarktgestützte Attraktivitäts- und Potenzialanalysen für ausgewählte Regionen im Freistaat Sachsen“
Das Forschungsinteresse der Wissenschaftler fokussierte die Frage, wie nicht-urbane Räume als attraktive Lebensstandorte wahrgenommen werden. Da für eine Bewertung die Analyse von Einzelaspekten der objektiven Standort-Qualität nicht ausreicht, wurde die Fragestellung in drei einzelnen Forschungsansätzen bearbeitet:
- Primärdatenerhebung zur Wohnzufriedenheit und zu Wohnvorstellungen
- Auswertung von Sekundärdaten zur Herausarbeitung des Interesses an Regionen
- Auswertung von Sekundärdaten zum Wanderungsverhalten
Axel Gedaschko, Präsident des GdW (Bundesverband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen) unterstrich aus bundesweiter Sichtweise mit seinem Vortrag „Wohnstandorte stärken und zukunftsfähig gestalten“ die Bedeutsamkeit des Forschungsprojektes.
Prof. Dr. Ralf Guckel erläuterte die Begriffe, Methoden und Herausforderungen dieses Forschungsprojekts. Bei dem von ihm gewählten Forschungsansatz wurde mit Hilfe einer statistischen Methode ein plausibles Attraktivitätsmaß hergeleitet. Dieses beruht auf den offenbarten Interessen an einer Region. Dazu wurde die Anzahl der auf eine Region gerichteten Internetsuchanfragen in Abhängigkeit von den Suchparametern geschätzt.
Die Schwierigkeit bei der praktischen Umsetzung besteht in der vorhandenen Datenqualität, die nicht ausreicht, um das Maß flächendeckend und für einen längeren durchgängigen Zeitraum zu berechnen. Für einzelne Gemeinden im Freistaat Sachsen konnten dennoch signifikante Veränderungen bei den Wohninteressen aufgezeigt werden. Zu unterscheiden ist dabei jedoch, ob das offenbarte Interesse an einer Region in der Kategorie "Hauskauf" oder "Wohnungsmiete" bekundet wurde. In der Kategorie "Hauskauf" konnte in den zurückliegenden Jahren bspw. beobachtet werden, dass die Gemeinden Delitzsch und vor allem Krostitz gegenüber den Umlandgemeinden attraktiver wurden. Jedoch hat sich die Attraktivität von Delitzsch in Bezug auf das Interesse einer Wohnungsanmietung verschlechtert. Die an Delitzsch angrenzenden Gemeinden Bitterfeld-Wolfen und Sandersdorf-Brehna haben an Attraktivität verloren. Die Attraktivität von Rackwitz blieb im Vergleich zum Umland konstant.
Prof. Dr. habil. Kerry Brauer stellte einen Teil der Ergebnisse aus der „Primärdatenerhebung zur Wohnzufriedenheit und zu Wohnvorstellungen im Freistaat Sachsen“ vor: In Zusammenarbeit mit der CONOSCOPE GmbH wurde im Zeitraum Mai 2023 bis Juni 2024 eine Primärdatenerhebung in vier Befragungswellen durchgeführt. Es lagen schlussendlich 4.128 auswertbare Fragebögen vor. Die Struktur der Befragten entsprach in etwa der sächsischen Bevölkerungsstruktur. Die Befragung umfasste u. a. die Verbundenheit mit dem Wohnort, die Wohnzufriedenheit, die Bedeutsamkeit von Wohnkriterien sowie die Bereitschaft für den Umzug in Mittel- und Kleinstädte unter Einbeziehung sozio-demographischer Daten der Befragten. Neben weiteren Ergebnissen werden hier beispielhaft folgende wesentliche Erkenntnisse vorgestellt:
- Es konnte eine sehr hohe Wohnzufriedenheit festgestellt werden. 87% der Befragten sind mit dem Wohnobjekt und 91% sind mit dem Wohnort sehr zufrieden oder mit Einschränkungen zufrieden. Dabei konnten bei den Bewohnern im Wohneigentum bei allen Standortkategorien (Großstadt, Mittel- und Kleinstadt, Dorf) die höchste Wohnzufriedenheit festgestellt werden.
- 67% der Befragten fühlen sich mit dem Wohnort stark oder sehr stark verbunden.
- Für alle Wohnstandorte trugen zur höchsten Wohnzufriedenheit die Nähe zu Grünflächen, eine gute Nachbarschaft, geringe Lärmbelästigung und öffentliche Sicherheit bei.
- Bei der Frage nach dem idealen Wohnstandort dominieren die Mittelstädte, gefolgt vom Umland von Großstädten. 22% der befragten Großstädter und 26% der Befragten, die im Umland einer Großstadt leben, können sich vorstellen, in eine Mittelstadt zu ziehen (Mehrfachnennungen bei der Frage nach dem Wohnstandort waren möglich).
- Potenzielle Umzügler in Mittel- oder Kleinstädte befinden sich in den Altersgruppen 26 - 39 Jahre (32%) und 40 - 55 Jahre (38%).
- Die Miet- und Kaufpreisvorstellungen differieren erstaunlich wenig in Abhängigkeit des bevorzugten Wohnstandortes.
Konstantin Hoffie stellte sein Teilprojekt zu Wanderungsbewegungen vor, in dem er das aus der Physik entlehnte Gravitationsmodell auf eine sozialwissenschaftliche Fragestellung angewendet und weiterentwickelt hat. Jedes Jahr ziehen etwa 2,2 Millionen Menschen innerhalb Deutschlands in einen anderen Landkreis. In einer umfassenden Analyse über einen Zeitraum von 17 Jahren von Daten des Melderegisters wurde dieses Wanderungsgeschehen untersucht und mit einem mathematischen Modell beschrieben. Die erzielten Erkenntnisse sind primär methodischer Art. Mit Hilfe des Modells wird die Entwicklung der Landkreise im Zeitverlauf analysiert. Mit der Einbeziehung für die Wohnentscheidung relevanter Standortfaktoren kann dieses Modell weiterentwickelt werden, um letztlich Schlussfolgerungen auf die Attraktivität von Regionen treffen zu können.
Die abschließende Podiumsdiskussion mit Markus Schubert (Conoscope GmbH),
Axel Fietzek (Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Lebensräume Hoyerswerda e.G.), Prof. Dr. Ralf Guckel und Prof. Dr. habil. Kerry Brauer thematisierte den Schwerpunkt der hohen Verbundenheit der Befragten mit dem aktuellen Wohnort, die eine Chance für die Bindung der Bevölkerung an Klein- und Mittelstädte bietet. Gleichzeitig werden Chancen darin gesehen, dass Mittelstädte als favorisierter Wohnstandort genannt wurden und somit auch Zuzüge generiert werden können. Wesentlich ist, dass es gelingt, die Standortfaktoren, die zu höchster Wohnzufriedenheit führen, zu sichern und auch publik zu machen.
Nicht zuletzt dürfte es wichtig sein, dass eine nachhaltige Verbundenheit mit dem Ort aufgebaut wird, d. h., dass eine Identifikation mit dem Wohnort erreicht wird und die Mitwirkung im gesellschaftlichen Bereich bei guter Einbindung in die Nachbarschaft gelingt. Letzteres wird vermutlich bei den sich überlagernden gesellschaftlichen Herausforderungen noch an Bedeutung gewinnen.
Professorin Brauer konstatierte, dass diese Studie mit den präsentierten Ergebnissen eine sehr gute Ausgangsbasis für die Fortsetzung der Forschung zu Attraktivitäts- und Potenzialanalysen in Sachsen bildet, was im Interesse der Lebenszufriedenheit im Freistaat wünschenswert ist.